Sonntag, 7. Januar 2024

Shiva um 6:00, Tag der Enttäuschungen

Heute wieder frühes Aufstehen. Es nieselte, als wir das Hotel um sechs Uhr verließen und auf der Straße eine Riksha anhielten, aber als wir beim Tempel angekommen waren, unsere Schuhe wieder in Beutel gesteckt und an nummerierte Haken gehängt hatten, hatte der Regen aufgehört. 

Die Wasserpfützen auf dem Tempel-Areal sorgten für beeindruckende Spiegelungen. Es war schon hell und wir waren bei weitem nicht die ersten Besucher. Der Weg zum Shiva Lingam, bei dem uns gestern das Gedränge zu groß gewesen war, war heute relativ frei, und sebst wir Nicht-Hindus durften das Phallus-Symbol, das den Gott Shiva symbolisiert, direkt in Anschein nehmen. Trotz Kamera-Verbot waren ziemlich viele Mobiltelefone über den Köpfen gezückt. Mit einem weißen Streifen und einem roten Punkt auf der Stirn verließen wir den Tempel nach einer Runde und vielen Selfies mit Indern wieder und fuhren zurück ins Hotel. Ich hatte für heute nichts geplant, wollte nur auf der Dachterrasse sitzen, lesen und zeichnen. Schließlich wurde doch ein Restaurantbesuch zu einer kleinen Shopping-Runde ausgeweitet, und ich brachte meine Kleidung (von Hand gewaschen) zu dem alten, dürren Mann, der in einer Karre Kleidung bügelt, auf der anderen Seite der Straße. 

Ein Tag mit einigen Enttäuschungen:

- Das Frühstück ist nicht nur ein Rip-Off, sondern außerdem lauwarm und ziemlich geschmacksarm, die Bedienung lahm, unsystematisch und gelangweilt. Sie verteilen erstmal Gläser auf alle Plätze und fragen dabei alle, ob sie Tee oder Kaffee trinken wollen, und dann sammeln sie die Gläser wieder ein und verteilen sie dann erneut, gefüllt mit kochend heißem Tee oder Kaffee, müssen aber noch einmal nachfragen, ob man jetzt eigentlich Tee oder Kaffee will.   

- Das Wlan in unserem Hotel war den ganzen Tag über ausgefallen (wahrscheinlich wegen Regen und Stromausfällen in der Nacht, was die Kommunikation innerhalb der Gruppe erschwerte). 

- Die Kleidung, die ich eigenhändig bei dem Bügelkarren abgegeben hatte, war ohne mein Wissen vom Hotelpersonal abgeholt worden, und der Manager verlangte einen Phantasiepreis von mir, den ich mich allerdings weigerte zu bezahlen, weil ich weiß, wieviel fürs Bügeln normalerweise verlangt wird. Schließlich ging er ging auf 70 rupies runter, von 100. "Sie meinen 60", sagte ich, und er nickte und zückte seinen Geldbeutel. Wahrscheinlich hat er trotzdem einen Gewinn gemacht, und das ärgert mich ziemlich. Ich hätte das Geld lieber dem dürren Bügelmann gegeben. 

- Als ich auf der Dachterrasse saß und beim Zeichnen meinen Pinsel ausschüttelte, flog das Glas meiner neuen Uhr ab und zerbrach auf dem Steinboden. Dass die Uhr nicht einmal 24 Stunden überleben würde, hatte ich mir eigentlich nicht vorstellen können. Ich brachte sie später wieder zu dem Laden und sie klebten ein neues Glas ein, aber ziemlich schlampig, so dass man die Klebereste unter dem Glas noch sehen kann. Irgendwie war es mir heute nicht möglich, darüber zu lachen. 

- In einem Kleidershop kaufte ich mir, mehr oder weniger aus Verlegenheit, einen Schlafanzug. Ich nahm die Größe XXL und dachte, dass er mir ganz bestimmt NICHT zu klein sein wird. Zu Hause angekommen, probierte ich ihn an, aber die Hose hat einen total blöden Schnitt - vorne und hinten unterscheiden sich nicht - und dadurch ist sie fürchterlich unbequem. Ich hatte wirklich keine Lust, noch einmal zurück zum Laden zu gehen und habe mir jetzt als Lösung ausgedacht, dass ich die Hose bei einem anderen Schneider überarbeiten lasse, aber bei meinen Erfahrungen mit indischen Schneidern ist das ein riskantes Unterfangen. 

Heute Abend besuchten wir eine Baratanatyam-Vorstellung im einem Saal des alten Palasts. Die Schülerinnen einer Tanzschule (die jüngste war vielleicht acht) zeigten ihr Können, dazwischen wurde ziemlich viel geredet, meistens auf Tamil, aber auch in (schwer verständlichem) Englisch. Ich bin nicht so ein riesiger Fan von dem klassichen indischen Tempeltanz (er ist in Tempeln nicht mehr erlaubt, wurde in den 40er Jahren des 20. Jhdts von den Briten verboten, weil die Tempeltänzerinnen oft auch als Prostituierte ausgenutzt wurden), aber ich fand den Abend trotzdem unterhaltsam. Am schönsten dabei war es, die Zuschauer zu berachten, meist Verwandte der Auftretenden, die mit dem gesamten Famlienclan ankamen. Ein schöner junger Inder teilte Getränke und Snacks an alle Anwesenden aus (Mangosaft, Wasser und salzige/süße Snacks in einer kleinen Pappschachtel). Als der Tanz gemäß des vorgeschriebenen Rituals damit beendet wurde, dass die Tänzerinnen sich bei den Musiken bedankten, gingen wir und ich kaufte an einem Karren noch eine Staudenstück mit Bananen.  

Ich bin heute ziemlich schlecht gelaunt gewesen und enttäuscht darüber, dass P jetzt, wo ihre Erkältung allmählich abklingt, an einer Magenverstimmung leidet. Ich bin auch enttäuscht darüber, dass die Zeichnungen, die ich heute gemacht habe, hässlich geworden sind. Außerdem über die schlechte Qualität des Skizzenbuchs, das ich mir für die Reise gekauft habe.

Jedenfalls hoffe ich, dass ich diese Nacht schlafen kann  Es ist erst 21 Uhr, aber ich bin total müde Draußen regnet es gerade in Strömen, wahrscheinlich eine Erklärung dafür, dass es heute so drückend warm gewesen ist. 

 


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