Dienstag, 23. Januar 2024

Endlich wieder da - Blick zurück

Hab mir vorgenommen, heute endlich wieder etwas zu schreiben. Über zwei Wochen sind vergangen seit meinem letzten Eintrag, und jetzt ist nur noch eine Woche unserer Indienreise übrig. Inzwischen haben wir unseren Tanzworkshop im Shantivanam Ashram abgehalten, wir haben in Tiruchirapalli unsere gemeinsame Reise abgeschlossen und sind mit einer kleiner Gruppe weiter nach Pondicherry gereist. 

Die schiere Menge des Erlebten macht mich etwas mutlos. Wie kann ich auch nur einen Bruchteil rekonstruieren? Viele der Gruppe sind krank geworden, Magen-Darmerkrankungen und Luftwegerkrankungen, oft mit einem bösen Husten. Eigentlich gab es keinen Tag, an dem nicht jemand krank war. Selber bin ich verschont geblieben, nur als unsere gemeinsame Zeit zu Ende ging, bekam ich eine Erkältung (Schnupfen), teilweise auch mit Fieber, was aber zum Glück schon nach zwei Tagen wieder überstanden war. 

Im Ashram war es wieder wunderschön. Jedes Mal, wenn wir dort ankommen, ist es, als würde eine Last von unserer Seele genommen. Obwohl wir Probleme mit unserer Buchung hatten (d.h., nicht wir hatten die Probleme, sondern das Ashram hatte den Tanzraum (Meditationsraum) doppelt vergeben und auch unsere vorläufigen Zimmer wurden nach fünf Tagen von einer amerikanischen Gruppe beansprucht und wir mussten umziehen, aber die Umgebung, die Sanftheit der Mönche, der geregelte Tagesablauf, die gemeinsamen Mahlzeiten (das gemeinsame Hacken von Gemüse), die Regeln des Zusammenlebens, die "Stille" mehrmals am Tag, haben uns einfach gut getan. Die letzten Tage haben mir im Speisesaal getanzt, der ein offener Raum ist, von dem aus wir die Küche und die Kuhställe sehen konnten, und einhellig haben wir gesagt, dass es uns dort eigentlich viel besser gefiel als in dem etwas düsteren Tanzraum, in dem man durch die Mücken-vergitterten, hoch angebrachten Fenster kaum etwas sehen konnte. 

Wir trafen viele Mönche wieder, die wir schon kennen, es war ein herzliches Wiedersehen. Auch Panir, einen alten Bekannten, trafen wir nach einer Weile jeden Morgen um 5:45, um mit ihm in dem kleinen Dorf Thanirpalli in der Dunkelheit unseren Morgentee zu trinken. Hinterher brachte er immer uns zum Eingang des Ashrams, auf dem Weg dorthin machte er unermüdlich Fotos von uns und versicherte, wie glücklich er sei. An einem Morgen vereinbarten wir (er und ich), uns am Flussufer zu treffen und dort eine kleine Übungseinheit mit Tamil Stick Fighting und Aikido zu machen. Sein Bruder war mit dem Moped zum Filmen gekommen und von meiner Seite waren auch drei Zuschauerinnen da, die eifrig Fotos und Filme machten. 

Ich hatte im Ashram gar keine Zeit und Möglichkeit zum Schreiben, da das Schema so voll war - Namajapa um 5:30, Spaziergang im Dunkeln ins Dorf und wieder zurück, dann Morgengebet, Frühstück und hinterher Gemüseschneiden. Drei Stunden Tanz, unterbrochen von einer halben Stunde Kaffeepause, dann Mittagessen (nach dem Mittagsgebet) und der dringend benötigte Mittagsschlaf. Dann Teepause, an den meisten Tagen ein 4-Uhr-Talk mit Brother Martin (interessante Reflexionen über Religion und Spiritualität - ich habe eine Menge dabei gelernt), hinterher bald Meditation und Abendgebet und dann Abendessen, gefolgt vom Abendtanz 20:00-21:00, hinter dem wir müde waren und nach einer Tasse Ingwer-Zitrone-Honig-Tee gleich ins Bett gingen, denn am nächsten Morgen wollten wir ja schon um 5:00 wieder aufstehen.

Ein paar Mal machte ich am Morgen Meditation und Yoga, bis wir den Saal nicht mehr benützen konnten, dann ging ich zu Namajapa und Tee im Dorf über. 

Hin und wieder ein Ausflug in den nächsten größeren Ort Kulitthalai. Im Shiva Textiles im Gewühle vor dem Erntedankfest Pongal indische BHs anprobieren, Lunghis (indische Hüfttücher, die hauptsächliche Bekleidung der Männer) aussuchen (aus denen ich mir Hosen nähen lassen will), in einem Dairy-Laden Joghurt (ohne Zucker) kaufen und ihn dann entweder in der Riksha nach Hause oder gleich auf den Stufen vor dem Laden löffeln. Kokosseil kaufen, für unseren Garten in Schweden. 

Einmal begleitete ich eine Teilnehmerin nach Kulitthalai, weil sie ihren Husten nicht loswurde, und nach einem langatmigen (aber freundlichen) Besuch beim Arzt - mit Einladung zum Tee - kamen wir mit Antibiotika wieder zurück. Dabei musste ich aber feststellen, dass meine lebenswichtige Filterflasche irgendwo auf der Strecke geblieben war. Am nächsten Morgen fuhr ich also mit der Riksha wieder zur Arztpraxis, wo aber nur die Putzkraft im Gange war, die kein Englisch konnte und weder meine Trink-Pantomime noch die Zeichnung einer Flasche in ein Heft auf dem Empfangstresen deuten konnte . Da auch der Rikshafahrer des Englischen nicht mächtig war, bekam ich die Flasche erst wieder, als die Tochter des Arztes (auch eine Ärztin) zur Sprechstunde die Treppe herunter kam, erstaunt darüber, mich wieder zu sehen. Die Putzfrau hatte die Flasche übrigens bereits in Sicherheit gebracht, und ich bedankte mich mit drei Handküssen, die sie mit einem strahlenden Lächeln quittierte. 

Aus allen diesen Gründen wurde es also nichts aus dem Schreiben. 

An einem Tag fuhren wir wieder einmal zur "Intact Special School", einer Schule für geistig Behinderte, die mit Hilfe von Geldern aus Schweden geführt wird, und wurden wie immer herzlich und mit viel Freude und Lachen empfangen. Einige Schülerinnen zeigten einen Tanz, andere führten einen Gesang vor. Alle SchülerInnen hatten feine Kleider an, weil an dem Tag Pongal vorgefeiert werden sollte, bevor sie über die Feiertage zu ihren Familien fuhren. Wir wurden auch an der Feier beteiligt, Pia und ich durften das Feuer anzünden, über dem die drei verschiedenen Sorten Pongal-Reis gekoch wurden, und außerdem sollten einige unserer Teilnehmerinnen mit verbundenen Augen versuchen, mit einem langen Stecken auf den Pongaltopf zu schlagen, der an einem Strick zwischen zwei Bäumen aufgehängt war, und aus dem dann Blütenblätter herabsegelten. Ich hielt auch eine kleine Rede vor den begeisterten Kindern, die dann auf Tamil übersetzt wurde. Dann noch gemeinsames Mittagessen, ein Vortrag der Schulleiterin Rachel und dann konnten wir im Shop der Schule einer unserer Lieblingsbeschäftigungen fröhnen, dem Shoppen. 

Hinterher fuhren wir dann noch zum riesigen Vishnu-Tempel in Srirangam, bei Trichy, liefen dort herum, schauten den Affen zu, die mit ihren kleinen Händchen Nüsse aufklaubten, die jemand für sie dort hingestreut hatte (schließlich sind sie ja Nachfahren und Verwandte von Hanuman dem Affengott, der an diesem Tag speziell gefeiert wurde). Zum Abendessen und hinterher Abendtanz waren wir wieder im Ashram - sicher hin- und hergefahren in zwei kleineren Bussen und dem bereits wohlbekannten Chauffeur Perumal, den ich eigentlich nur lachend kenne. Und dessen "oki-oki", "no problem" ich immer noch im Ohr habe.

Für heute reichts. Jetzt bin ich jedenfalls wieder da. Morgen schreibe ich weiter. Wir sind in Pondicherry, haben hier ein paar Mal zum Frühstück Croissant und Pain aux raisins gegessen, haben im Icon Pondy, einem vegetarischen nordindischen Restaurant, das direkt neben unserem Hostel "Villa Creole" liegt, gute Paneer-Gerichte bekommen. Ich war bei einer ayurvedischen Klinik, weil ich - wegen meinem Schnupfen - eine Nasenbehandlung haben wollte, aber der Arzt sagte mir am Telefon, das würde sich nur rentieren, wenn ich mindestens an drei Tagen hintereinander kommen könnte. 

Ich habe hier eine Indienkrise, es fällt mir aber schwer, sie zusammenzufassen. Wieso schaffen die Inder es nicht, die Straßen sauber zu halten, wieso ist der Strand so vermüllt, obwohl überall Schilder hängen, die genau das verhindern sollen? In Pondicherry gibt es nicht die sonst in Südindien typische Herzlichkeit und Freundlichkeit, die sonst die Mängel aufhebt oder einen vergessen lässt. Das französische Viertel ist eine seltsame, unwirkliche Mischung aus Luxus (europäischen Preisen) und dem gewöhnlichen indischen Verfall. Übermorgen wirde der indische Nationalfeiertag gefeirt, die Unabhängigkeit Indiens. Auf den Straßen üben Jugendgruppen in Uniform und Polizisten und andere Uniformträger das Marschieren, schon vom frühen Morgen an. Als wir am Abend wieder zum Meer gehen, sind sie immer noch am Üben, ein Geruch von Schweiß liegt in der Luft, am Straßenrand stehen zahllose Wasserflaschen (keine Einwegflaschen, sondern wiederverwendbare, was wenigstens ein gutes Zeichen ist). 

Und die Straßenhunde. Ach, die Straßenhunde. Ein ständig gegenwärtiger Schmerz. Manche sind gut gefüttert, wahrscheinlich mit Reis und Plätzchen, und schleppen sich übergewichtig die Straße entlang. Alle sind sie schmutzig und traurig, alle von Flöhen und Parasiten geplagt. Das (und ein Film, den ich heute sah, über illegale Milchfarmen in Indien, auf denen Kühe ganz unvorstellbaren Qualen ausgesetzt werden) ist für mich ganz schwer zu ertragen. Wegen dem Film werde ich ab morgen jedenfalls keinen Tee mit Milch mehr trinken.   

    

    

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Indisches Frühstück

Nach einigen Tagen in unserem Villaviertel in Kanchipuram haben wir ein Straßenrestaurant gefunden, bei dem wir inzwischen ein paar Mal gege...