Samstag, 6. Januar 2024

Busfahrt mit Hindernissen und Siva-Tempel in Thanjavur

Es ist schwer, allen Erlebnissen hinterher zu kommen.

Gestern machten wir uns auf den Weg von Mamallapuram nach Thanjavur. P und ich hatten nach dem Frühstück noch einige Geldautomaten aufgesucht, um das nötige Bargeld für den gemieteten Bus zusammenzukriegen, das jetzt doch schon vor der Fahrt bezahlt werden sollte. Der Bus war schwarz und neu und die Sitze noch in Plastik gehüllt. Unsere Teilnehmerinnen wollten das nicht akzeptieren, und so stand bald ein kleiner dünner Inder mit einem Messer im Hand vor dem Bus, um ihnen dabei zu helfen, die Sitze von der Plastikhülle zu befreien. Ich ließ meinen Sitz (neben dem Busfahrer) in seiner Plastikverpackung, und habe während der ganzen Fahrt eigentlich nicht mehr daran gedacht. 

Die Fahrt sollte ungefähr sieben Stunden dauern. Am Anfang ging es ziemlich gut voran, und wir hatten bald Pondicherry hinter uns gelegt und aßen in einem riesigen vegetarischen Restaurant "South Indien Meal". Aufs frisch gewaschene Bananenblatt bekam man verschiedene Gemüsemischungen und Chutney gelöffelt. Außerdem wurden vier oder fünf Soßen ordentlich vor einem aufgereiht. Dann bekam man ein Häufchen Reise und ein Papadam. Mir drückte der junge Kellner mit dem grünen Haarnetz auf dem Kopf schnell einen Löffel in die Hand, als er sah, dass ich anfing, mit der linken Hand zu essen. 

Nach dem Essen fing die Strecke an, unwegsam zu werden. Kurze "Autobahn"-Stücke wurden schnell abgelöst von löchrigen Straßen und Sandwegen, und wir kamen nur langsam voran. Die Strecke ging über das Kaveri-Delta, und wir überquerten viele Brücken. An einer Stelle riefen einige meiner Mitfahrerinnen, die weiter hinten saßen, aufgeregt, dass sie soeben im Wasser Krokodile gesehen hatten, mindestens fünf. Das war keine besonders gute Nachricht, da wir eigentlich an einem späteren Punkt der Reise sonst immer zumindest bis zu den Knien im Kaveri waten.  

Was wir auf der Reise, die sich bis in die Dunkelheit ausdehnte, sahen, war das Leben, das sich entlang der Straße abspielte. Kuh- und Ziegenhüter, ärmliche Palmhütten, Menschen, die sich auf dem Mittelstreifen ausruhten, Kinder und Jugendliche, die in ihren Schuluniformen und mit riesigen Rucksäcken an der Straße entlang nach Hause gingen. Motorräder, auf denen eine ganze Familie sich zusammendrückte, ein Motorrad, auf dem mindestens zehn Plastikstühle festgezurrt waren, kleine farbenfrohe Lastwägen, auf denen kunstvoll eine Ladung von Holz aufgebaut war. Ein alter Mann hockte am Straßenrand und sortierte Pappkartons. Jemand anderes hatte im Abgasdampf Gemüse auf dem Boden vor sich ausgebreitet. In einem ausgetrockneten Flußbett häuften sich halb zersetzte Plastikflaschen. Von Wahlplakaten starrten mir Männer entgegen, denen ich im Dunkeln (vielleicht auch bei Helligkeit) nicht über den Weg trauen würde. Straßenarbeiter waren mit der Sisyphos-Arbeit beschäftigt, das marode Straßennetz zu reparieren und zu optimieren. Dazu das übliche Gehupe, das Schlängeln, Ausweichen, der Lärm des Verkehrs. Die Hunde, humpelnd und räudig, einmal eine Schar Gänse, ein Schweinehirt, der an der Straße mit seiner Herde schwarzer Schafe Halt gemacht hatte. 

Im Dunkeln kamen wir bei unserem Hotel "Thanjore Hi" an, in einem über hundert Jahre alten Haus untergebracht, in dem einmal eine Kaufmannsfamilie wohnte (und einige berühmte Leute vorbeischauten) und später ein Hostel für über hundert Studentinnen untergebracht war. Der Dokumentation zufolge, die im Restaurant an der Wand zu besichtigen ist, hat es zwei Jahre gedauert, das Haus umzubauen und an den gehobenen Touristenstandard anzupassen. Ein Badezimmer für jedes Zimmer, Kunstwerke an den Wänden und Zimmerdecken, eine weitläufige überdachte Terrasse auf dem Dach, eine Wendeltreppe und Badezimmer, denen man den Anschein von Luxus zu geben versuchte, ein Versuch, der in Indien häufig trotz allem Bemühen nicht wirklich hinhaut. Vorherrschend ist eine kräftige blaue Farbe, die mir gut gefällt.  

Das Frühstück, das man uns als "kontinental" beschrieben hatte, war eine ziemliche Enttäuschung. Zu spät und lustlos serviert, mit süßem Toastbrot und grellroter Marmelade sowie weicher Butter ("selbstgemacht", sagte der Koch stolz), einem winzigen Omelette für jeden Teller, dazu kleine amerikanische Pfannkuchen, mit denen man jemanden hätte erschlagen können, und Tee und Kaffee, die jeweils weder nach Tee noch nach Kaffee schmeckten. Und das zu einem Preis, für den man dreimal hätte Indisch frühstücken können. Für morgen haben wir jetzt südindisches Frühstück bestellt und die Zeit festgelegt, mal sehen, ob es funktionieren wird. 

Hinterher ein Besuch im Cholamuseum, in dem vor allem Siva als Hirte es mir angetan hat (wie schon letztes Mal). Unsere Gruppe blieb erwartungsgemäß im Government Shop stecken, in dem es so penetrant nach "Luftverbesserer" stank, dass ich mich hinterher ganz krank fühlte. Sie kauften Blusen, Parfümpulver, Seidenbilder, Holzlöffel und was sonst noch alles, während ich draußen auf der Treppe versuchte, meine Luftwege zu reinigen, aber das Wetter war drückend und die feuchte Luft zu warm. 

Dann schlenderten wir über den Gemüsemarkt, machten Bilder von den fotogenen GemüseverkäuferInnen hinter ihren Tomaten-, Kokosnuss- und Topinamburbergen, bestaunten Gemüsesorten, von dem ich nicht gewusst hatte, dass sie existieren. Ich bekam von einer Verkäuferin ein Stück Ingwer geschenkt und ließ mich von einem kompetenten Inder beim Kauf einer Kokosnuss beraten. An einem Tee-Stand kauften wir süßen Tee mit Milch und aßen dazu Wadas, frittierte Teigringe mit Gewürzen. Ich suchte mir an einem Stand einige Päckchen Gemüsesamen zusammen, in der Hoffnung, dass ich sie dieses Jahr in unserem Garten aussäen kann. 

Nach der Mittagspause gingen wir durchs Straßengetümmel zum Shivatempel. Ich kaufte mir auf dem Weg an einem kleinen Stand eine Armbanduhr, weil ich nicht jedes Mal mein Handy hervorkramen möchte, wenn ich wissen will, wie spät es ist. Der Verkäufer erklärte mir ausführlich, wie ich das Metallarmband öffnen und schließen sollte und trug mir schließlich auf, die drei Schritte des Ablaufs in seiner Gegenwart zu üben (ich machte es natürlich falsch). Demonstrativ stellte er die Uhr auf die richtige Zeit ein (hinterher merkte ich aber, dass es die falsche Zeit war). 

Wir kamen in einen Regen, der uns zwar durchnässte, aber auch erfrischte, und bahnten uns den Weg durch eine Menge von (meist rotgekleideten) Pilgern, die im Tempeleingang Schutz vor dem Regen gesucht hatte. Auch die Stände auf dem Weg dorthin versuchten, ihre Ware mit blauen Plastikplanen notdürftig zu schützen. Ein Mann hängte sich einen Sack wie einen Regenumhang um den Kopf. Im "Cloak Room" des Tempels verstauten wir unsere Schuhe in einem der Beutel, die in einer Plastikkiste bereitlagen und hängten sie dann an einen mit einem Buchstaben und einer Nummer versehenen Haken. Eine völlig unüberschaubare Menge Beuteln hing da schon. Was macht man, wenn man seine Nummer vergessen hat? Wie findet man seine Schuhe wieder? 

Im Tempelbereich erregten wir als "Weiße" wieder einmal viel Aufsehen, wir durften an vielen "Selfies" teilnehmen und viele Hände schütteln, wir antworteten auf unzählige "Where are you from?" und ließen uns mit Liebeserklärungen der rotkleideten Pilgerinnen überschütten: "Love you! Miss you!" In zwei Schreinen holten wir uns einen Segen und ließen uns die Stirn mit rotem und weißen Pulver betupfen, bevor wir erschöpft auf einer der Steinstufen niedersanken, was natürlich die PilgerInnen nicht im geringsten davon abhielt, sich uns kichernd zu nähern, mit der Bitte um noch ein Selfie.

Wieder draußen (wir hatten unsere Schuhe gefunden) nahmen wir eine Riksha. Im Vasantha Bavan schlossen wir dann den aktiven Teil des Tages ab. Ich aß ein Kofta mit Paneer (indischem Käse) und ein Naan, die anderen beiden aßen Biryani (vegetarisch / mit Paneer). Ungeniert stand einer der Angestellten eine Weile neben unserem Tisch und sah uns beim Essen zu. Heute hatte ich meinen Mund- und Nasenschutz aus Coronazeiten aus meinem Gepäck geholt um mich gegen den Gestank der Abgase zu schützen, und es half ein wenig, wenn es mir auch dahinter sehr warm wurde. 

Einkäufe: Ich habe heute einen mit Zimt gewürzten Honig gekauft (um Ginger-Lemon-Honey zu trinken) und zwei riesige (rotweiß bzw. blauweiß karierte) Taschentücher. 

Der Tag hatte schwer angefangen, ist aber im Rückblick gut gewesen. Morgen habe ich vor, mich mit zwei anderen Teilnehmerinnen um sechs Uhr zu treffen - dann wollen wir zum Tempel fahren.    

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Indisches Frühstück

Nach einigen Tagen in unserem Villaviertel in Kanchipuram haben wir ein Straßenrestaurant gefunden, bei dem wir inzwischen ein paar Mal gege...